Landstrom für Schiffe

25. Januar 2024

Am CTH gelang auch der dritte Probelauf mit Landstrom. Die „APL Boston“ erhielt zwei Stunden lang Landstrom.

Pressekontakt

YE Miaomiao (Ms.) 叶淼苗 Manager | Marketing & Public Relations Hamburg Liaison Office China ye.miaomiao@hamburgshanghai.org

Der Hafen Hamburg hat bei der Landstromversorgung von Containerund Kreuzfahrtschiffen innerhalb der EU die Nase vorn. Als erster EU-Hafen schafft der Standort nun auch die Voraussetzungen für Containerschiffe, ihre Dieselmotoren während der Liegezeit abzustellen.

Im Hamburger Hafen geht die Landstrominitiative in die nächste Phase. Der Betreiber, die Hamburg Port Authority (HPA), dehnt das Anlagennetz auf alle Großemittenten aus. Hanno Bromeis, Leiter der Sparte Port Energy Solutions, in dessen Aufgabenbereich die Anlagen fallen, umreißt: „Dazu gehören die vier großen Containerterminals Eurogate, Burchardkai, Tollerort und Altenwerder sowie die Cruisecenter Steinwerder und HafenCity. Wenn dort 2025 die Anlage eröffnet wird, haben wir mit zehn Landstromanschlüssen für die Containerschiffe und vier Anschlüssen für die Kreuzfahrtschiffe die Großemittenten in diesen beiden Schiffsklassen komplett abgedeckt.“

Die Inbetriebnahmen mit den Herstellern Siemens und PowerCon folgen in den nächsten Monaten Schlag auf Schlag. Bromeis präzisiert: „2024 wird unsere Hochlaufphase sein, in der wir zudem die betrieblichen Abläufe überprüfen und auf Basis der praktischen Erfahrung verbessern wollen. Ab 2025 werden wir die zu erwartende Nachfrage mit einem optimierten Gesamtsystem abdecken können.“ Bereits im Jahr 2016 startete Hamburg mit einer ersten Pilotanlage für Landstrom in Altona. Im Herzen Hamburgs gelegen, sorgt sie für eine emissionsfreie Liegezeit bei den Kreuzfahrtschiffen. Es fallen weder Luftschadstoffe, Treibhausgase noch Lärmemissionen an.

Nutzung ab 2030 EU-weit verpflichtend

Wie das Angebot angenommen wird, hängt zunächst noch von den Reedereien ab. Erst ab 2030 wird die Nutzung von Landstrom für Container- und Kreuzfahrtschiffe mit über 5.000 Bruttoraumzahl (BRZ) EUweit verpflichtend. Ab diesem Zeitpunkt sind auch jegliche Verbrennungsprozesse an der Kaikante ausgeschlossen. Gemeinsam mit den anderen Häfen der Nord-Range wollen die Hamburger genau schauen, wie sich die Nutzung der in Betrieb genommenen Anlagen in den nächsten Jahren gestaltet, und gegebenenfalls bereits vorher flankierende Maßnahmen treffen. Damit der Hafen die Vorgaben aus „Fit For 55“, dem Klimaschutzpaket der EU, komplett erfüllt (also auch die kleineren Containerschiffe bis 5.000 BRZ miteinbezieht), plant Bromeis bereits die nächsten Schritte: „Bei den Liegeplätzen in der kommenden Ausbauphase haben wir die Herausforderung, auf Containerschiffe mit einer hohen Taktung, kurzer Liegezeit und geringerem Energieverbrauch zu treffen.“

Hamburg will mehr -klimaneutral bis 2045

Parallel dazu beschäftigt sich die HPA auch mit der Elektrifizierung der Binnenschifffahrt, der Innerhafenverkehre und anderen Schiffssegmenten wie Tankern, RoRo- oder Mehrzweckschiffen, auch wenn es

Doch der ganzheitliche Ansatz ist für die HPA wichtig, um die Klimaziele der Stadt zu erreichen. Denn Hamburg will bis 2045 klimaneutral sein. In diesem nachhaltigen Szenario ist die Dekarbonisierung des Stadthafens ein wichtiger Bestandteil.

Komplett grüner Strom

100 Prozent grün sei der Strom, den die HPA über den kommunalen Energieversorger Hamburger Energiewerke beziehe, versichert Bromeis. Die Verbräuche hängen stark von der Liegezeit, dem Schiffstyp und der Ladung ab. Er verdeutlicht: Ein Kreuzfahrtschiff beziehe zwar deutlich mehr Strom als ein Containerschiff, dafür sei die Liegezeit kürzer. Den durchschnittlichen Stromverbrauch eines Kreuzfahrtschiffes während der Liegezeit schätzt er auf 50.000 bis 60.000 kWh, während der eines Containerschiffes bei 140.000 bis 150.000 kWh liegt. Wenn 2030 die gesamten Schiffklassen der Container- und Kreuzfahrtschiffe über 5000 BRZ im Hafen am Netz hängen, folgt daraus ein immenser Strombedarf. „Unsere Schätzung für den Gesamtstrombedarf für 2030 beläuft sich auf 130 bis 140 GWh.“

Perspektivisch sind laut des HPA-Verantwortlichen ausreichend Stromkapazitäten vorhanden. Hamburg verfüge als Industriehafen über ein sehr starkes Stromnetz, das wegen der ganzheitlichen Elektrifizierung ohnehin weiter ausgebaut werde. Die Anlagen sind bereits darauf ausgelegt, um bei Bedarf auch noch Batterien mitzuladen. Interessant ist das perspektivisch für klimaneutrale Revierfahrten und kleinere Schiffe im Shortsea-Segment.

Kombipreis aus fixer und variabler Komponente

Das Landstrom-Pricing wird sich laut HPA aus zwei Komponenten zusammensetzen: Dem variablen Strompreis und der fix kalkulierten Servicekomponente. Anders als auf dem Privatmarkt sind laut Hafenbehörde aufgrund der Volatilität der Nachfrage derzeit keine Festpreise für Strom am Markt möglich. Bromeis begründet: „Für einen Fixpreis müssten sich die Reeder zu festen Abnahmemengen zu bestimmten Zeitpunkten verpflichten. In der Praxis ist dies aber schwer umsetzbar, da die Hafenanläufe – vor allem der Containerschiffe – häufig vom Fahrplan abweichen.“ So bleibe der HPA keine andere Lösung, als den Strom an der Börse einzukaufen, mit teilweise bis zu 50 Prozent Preisschwankungen im Tagesverlauf.

Viele Reedereien sind landstromerfahren

Viele Containerreedereien, die Hamburg anlaufen, haben mit dem Thema Landstrom in außereuropäischen Häfen bereits erste Erfahrungen gesammelt. In Los Angeles beispielsweise gilt die Landstrompflicht bereits seit 2014 und auch in einigen asiatischen Häfen ist das Umschalten auf Landstrom schon heute vorgeschrieben. Dementsprechend interessiert sind die landstromerfahrenen Reedereien an der Testphase in Hamburg. Mit dabei sind Hapag-Lloyd, Maersk, MSC, CMA CGM, Cosco, OOCL und ONE. Offen für die proaktive Nutzung der umweltfreundlichen Alternative ist die Reederei Hapag-Lloyd. Aktuell hat das Unternehmen zwar den Großteil der landstromfähigen Flotte in Häfen im Einsatz, in denen Landstrom bereits verpflichtend ist. Dennoch sind laut Hapag-Lloyd bereits in diesem Jahr für 81 der Anläufe auf Hamburg Schiffe im Einsatz, die sofort in der Lage wären, Landstrom zu nutzen. Zur weiteren Vorbereitung sagt Hapag-Lloyd Sprecher Nikolas Fischer: „Bereits Ende letzten Jahres und Anfang dieses Jahres wurde unsere gesamte Dortmund Klasse mit Landstrom ausgerüstet. Auch alle Neubauten werden mit Landstromanschlüssen ausgestattet.“

oraussetzungen: Standards und Gleichschritt

Der Hauptgeschäftsführer vom Verband Deutscher Reeder (VDR) Martin Kröger lenkt den Blick auf eine weitere wichtige Rahmenbedingung, die für alle gilt: „Die größte Herausforderung der Seeschifffahrt bei der Nutzung von Landstrom ist die bisher noch nicht vollständige internationale Standardisierung der Landstromanschlüsse. Denn nur wenn Landstrom auch sicher in einem Hafen verfügbar und technisch für ein Schiff nutzbar ist, kann eine Reederei die kostenintensive Investition in eine bordseitig kompatible Landstromanlage vornehmen.“ Eine weitere Voraussetzung, die erfüllt werden muss, nennt Dr. Alexander Geisler vom Verband Hamburger und Bremer Schiffsmakler (VHBS): „Die Anschlüsse und vor allem die Strommenge muss in den Häfen vorhanden sein. Daher begrüßen wir die Anstrengungen, die derzeit zur Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur unternommen werden.“ Um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen zu vermeiden, sei es aus Sicht des VHBS notwendig, dass die gesetzlichen Verpflichtungen zur Annahme von Landstrom zeitgleich in den Häfen Antwerpen, Bremerhaven, Rotterdam und Hamburg in Kraft gesetzt werden. Insgesamt sieht Geisler die Branche auf gutem Weg. „Mehr als die Hälfte der Emissionseinsparungen, die die Handelsschifffahrt in den letzten Jahren erzielt hat, beruhen auf dem Einsatz moderner, großer Designs.“ Durch die Schaffung von Möglichkeiten zur Annahme von Landstrom in den Häfen könne dieser Weg weiter fortgesetzt werden.

Warten auf grünes Licht

Auch die Reederei Ocean Network Express (ONE) unterstützt die umweltfreundliche Perspektive. Jan Holst, ONE Director Germany & Central Europe, zeigt auf: „Alle unsere 24.000-TEU-Neubauten, die Hamburg anlaufen, sind für den Landstrom geeignet und haben die entsprechenden Vorrichtungen an Bord.“ Holst signalisiert, dass ONE jederzeit starten könne, in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Landstromvorrichtung. „Sobald der von uns genutzte Liegeplatz 3/4 am Burchardkai an die Anlage angeschlossen ist und die HPA grünes Licht gibt, packen wir unseren Stecker aus.“ Ganz vorn mit dabei sein möchte die dänische Reederei Maersk. Eine Premiere gelang ihr bereits: Mit dem Schiffsintegrationstest an der Maersk Condor Ende August erfolgte erstmals in Europa der Anschluss eines Containerschiffes an Landstrom. „Unser Interesse ist sehr groß, da die Versorgung unserer Schiffe mit grünem Landstrom ein wichtiger Punkt auf dem Weg ist, bis 2040 die Net-Zero-Treibhausgas- Emissionen zu erreichen“, verdeutlicht ein Sprecher von Maersk. Angelaufen sei ein Nachrüst- Programm, um die Schiffe stufenweise landstromfähig auszurüsten. Zum Thema Neubauten sagt er: „Auch unsere neuen mit grünem Methanol betriebene Schiffe werden voraussichtlich Landstrom beziehen, da dies von der Energieausnutzung deutlich besser erscheint, als grünes Methanol in Generatoren an Bord wieder in Strom umzuwandeln.“ Die chinesische Reederei Yang Ming läuft den Hafen Hamburg aktuell mit zwei landstromfähigen Schiffen pro Quartal an. Ein Fahrplan zur Umrüstung der Containerflotte sei noch in Arbeit, erklärt Sally Lee, Senior Managerin von Yang Ming Europe Operation.

Hürden für Feederschiffe

Für Feederschiffe gebe es bis jetzt noch keine umsetzbaren Konzepte seitens der Hafenbehörde oder Terminals, berichtet Andreas Blankenburg, Head of Operations Department Unifeeder Germany. Als Hürde für die Feederschifffahrt sieht er die kurze Aufenthaltsdauer der Schiffe. Er verdeutlicht: „Bei drei bis vier Terminalanläufen im Hamburger Hafen sind wir nur ein bis zwei Stunden an einem Terminal. Der Aufwand ist hoch, ein Schiff für diesen kurzen Zeitraum jedes Mal an den Landstrom anzuschließen und abzuklemmen.“ Weiter sei noch nicht geklärt, auf welcher Höhe die Landstromvorrichtung bei Feederschiffen installiert werden könnte. Bedingt durch ihre Größe und abhängig vom Tidenhub bestünde die Gefahr, dass die Technik sich bei niedrigem Wasserstand unterhalb der Kaimauer befände.